Predigt zum 03.01.2021
von unserem Pfarrer Vornewald
Habt Ihr schöne Dinge zu Weihnachten geschenkt bekommen? Vielleicht war auch etwas dabei, worüber sich jemand besonders gefreut, ja, es ihn bewegt und immer wieder Grund zur Freude ist. Als Kind war das so bei mir. Dann wurden die Dinge, über die ich mich gefreut habe, gleich bespielt, ganz besondere Sachen mussten gleich mit an mein Bett, damit ich es gleich wieder angucken kann, wenn ich am Morgen aufwache. Wäre das schön, wenn Du so etwas geschenkt bekommen hättest. Was du dir immer wieder anschaust oder, wenn es Musik ist, anhörst. Je mehr und länger man sich damit beschäftigt, desto mehr Dinge entdeckt man daran. Und wenn es selbst gemacht ist, vielleicht sogar extra für dich, dann kommt umso mehr eine persönliche Zuwendung, die es zu entdecken gilt. Derjenige, der das gemacht oder gekauft hat, hat sogar noch daran gedacht!
Mit dieser Grundhaltung versuche ich die Weihnachtszeit zu durchleben. Deshalb gibt es bei mir auch keine Gedanken daran, ob sie nicht schon vorbei ist. Habe ich überhaupt schon wirklich wahrgenommen, was die Botschaft ist, was es für mein Leben, für meinen Umgang mit anderen Menschen, meine Entscheidungen, meine vielleicht veränderte Sicht auf das begonnene Jahr bedeutet. Habe ich schon ausgeschöpft, welche Ängste, Sorgen und Gedanken unbegründet sein können, wenn ich es annehme und annehme, was da erzählt wird? „Wie soll ich dich empfangen?“, heißt es in einem Choral des Weihnachtsoratoriums. Ich hatte gerade formuliert: „überhaupt schon wahrgenommen?“, schreibt man da wahrgenommen zusammen oder in zwei Worte also „wahr genommen“? Bei Freunden habe ich einmal einige Tage nach Weihnachten beobachtet, wie die kleine vermutlich drei Jahre alte Tochter immer mal wieder während des Tages, zwischen dem Spielen zur Krippe lief und dem Jesuskind einKüsschen gab. „Das macht sie schon seit Tagen so“, berichtete mir die Mutter. Da war das Jesuskind als Geschenk also wirklich präsent. Ich habe in diesem Jahr eine große Singerunde mit allen Weihnachtsliedern mitgemacht.
Immer wieder zur Krippe zu kommen, um zu staunen, anzubeten, das Geheimnis wahrzunehmen (zusammen oder in zwei Worte geschrieben), dazu sind wir eingeladen durch die Liturgie. Ich habe mal gehört, dass es kein Zufall ist, dass es sieben große Festgeheimnisse gibt in der Weihnachtszeit: 1. Die heilige Nacht, 2. der erste Weihnachtstag, 3. das Fest der hl. Familie am ersten Sonntag der Weihnachtszeit, 4. das Hochfest der Gottesmutter Maria am Oktavtag, 5. den zweiten Sonntag, 6. dann als zweiten ganz großen Höhepunkt das Hochfest der Epiphanie 7. und als letztes das Fest der Taufe Jesu. Das Ganze ist eine einzige Enladung, alles wahrzunehmen, das Geschenk richtig auszupacken und anzueignen, alles in seiner Bedeutung zu würdigen und aufzunehmen. Sieben Feste, sieben ist die Zahl der Fülle, da klingt schon der Satz aus der Rede des guten Hirten durch: „Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben!“ (Joh. 10,10)
Ich habe den Eindruck, dass diese Einladung in den Jahren immer weniger synchron geht mit den Empfindungen und Lebensgewohnheiten. Na gut, wer schon seit Ende Oktober Lebkuchen futtert, der hat spätestens jetzt die Nase voll davon. Und es ist ja oft gar nicht möglich, an allen diesen Tagen in die Kirche zu kommen, auch wegen der Einschränkungen zum Schutz vor Ansteckung. Und es fällt wohl auch immer schwerer, sich so sehr auf eine Sache einzulassen. Wir haben alle viele Gedanken und Projekte und Dinge, die unsere Aufnerksamkeit fordern, gleichzeitig laufend, Tendenz eher steigend. Und auf sehr raffinierte Weise werden wir umgarnt und umworben. Werbung, Werbung. Wenn ich im Computer was schaue, dann kriege ich rechts und links immer wieder Bilder zu sehen, natürlich genau von den Dingen, die mich interessieren. Und in unserer ausdifferenzierten Welt fordern Tätigkeiten vielfach eine intensive Aufmerksamkeit, wo bleibt da Platz für anderes? Wir sind innerlich und äußerlich mobil, die Welt der Kirche ist eher auf Stetigkeit aus. Das ist gut so, weil es uns stabilisiert, aber erreicht es uns überhaupt? Mir sind diese ganzen Dingen viel mehr bewusst geworden, als ich eine mobile Form der Frömmigkeit verinnerlicht habe, als ich anfing zu pilgern.
Und wäre Christus tausendemale geboren in Betlehem, es nutzte mir nichts, wenn er nicht auch in mir geboren wird. Mit den Worten des Johannesvangeliums: Das Wort ist Fleisch geworden. Das möchte seinen Widerhall in uns, in uns soll Fleisch und Blut werden, was da Gott spricht. Das Wort ist Fleisch geworden, jemand hat es übersetzt: Gott ist menschliche Realität geworden, beziehe ich es auf mich?! Fragezeichen, Ausrufezeichen!
Es bringt nichts, daraus moralischen Druck werden zu lassen, noch dazu, weil wir vielfach kirchlich dahin gepolt sind.
Mir hilft eine Einsicht. Soziologen behaupten, es habe eine epochale Wandlung gegeben in den letzten fünfzig Jahren, die von kleinen geschlossenen Lebenswelten, in der Menschen lebten zu offenen Gesellschaften. Und die Menschen würden nicht mehr so stark außengesteuert orientiert sein „Was sollen denn die Leute sagen?, sondern innengesteuert „Was bringt es mir, was habe ich davon?“ Damit habe sich auch die Grundangst verändert. Sie sei nicht mehr die, aufzufallen, ausgestoßen zu werden in der kleinen eigenen Welt, sondern die Grundangst sei eher die: etwas zu verpassen, das eigene Leben nicht auszuschöpfen in seinen Möglichkeiten. So zu fragen, ist nicht per se egoistisch, sondern bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, es bedeutet, das erste Gehenk an mich, mein leben auszupacken und auszuschöpfen. Ich glaube, da freut sich mein Schöpfer. Die Frage ist nur, wie stelle ich das an?
Heute, beim sozusagen fünften Krippengang, sind wir eingeladen, das Geschehen, was wir da sehen, als Ganzes in den Blick zu nehmen. Dazu wird uns der Anfang des Johannesevangeliums vorgestellt, man könnte auch sagen, werden wir eingeladen, zu verarbeiten, was wir wahrgenommen haben (zusammengeschrieben und in zwei Worten) und es in der Tiefe zu erfassen:
Die Worte klingen wie unendlich viele Bedeutungen, dabei ganz komprimentiert, jede Aussage kann Welten öffnen. Ich lade ein, es auf uns wirken zu lassen und wiederhole es, um es wahrzunehmen (zusammengeschrieben und in zwei Worten):
Im Anfang war das Wort – nicht der Zufall, sondern Gottes Wort, was für ein Anfang! Alles ist durch das Wort geworden, also die ganze Wirklichkeit, auch Du, auch ich. In dem Wort war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet – in der Finsternis, in meinem Dunkel, von Ängsten umweht, da leuchtet das Licht. Das wahre Licht kam in die Welt, das jeden Menschen erleuchtet, in meine Welt . Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden. Also aufblicken zu können, mich zu freuen, zu empfangen, zu wachsen und groß werden. Sondern aus Gott geboren: Gott ist mir Vater und Mutter, zum Leben bestimmt, geborgen und unendlich geliebt bin ich! Seine Herrlichkeit haben wir geschaut, was für eine Erfahrung! Voll Gnade und Wahrheit: Gnade, lateinisch gratia, also gratis, geschenkt, meine leeren Hände füllen sich mit Liebe. Wahrheit: in echt?, hat der kleine Junge den Papa gefragt, als der ihm sagte, dass er stolz auf ihn ist. Ja in echt, keine Lüge, es ist so gemeint wie gesagt, voll Wahrheit: ich kann vertrauen, mich anvertrauen.
Ach, wenn das nur nicht an mir/an uns vorbei geht! Ich möchte es wahrnehmen (zusammengeschrieben und in zwei Worten) mit Euch allen zusammen!