Predigt zum 18.10.2020
von unserem Pfarrer Vornewald
Kürzlich nach der Messe in der Sakristei: Ich sage zu den Ministranten: Ihr habt die Kniebeuge mit dem falschen Knie gemacht. Sie gucken mich entgeistert an, häh? Ich: Ihr habt sie mit dem linken Knie gemacht. Ist das wichtig? Natürlich nicht. Es war natürlich auch nicht ganz ernst gemeint. Gott sei Dank spielen rechts und links keine Rolle mehr. Als umgewöhnter Linkshänder kann ich davon ein Lied singen, wie gut das ist. Dauernd wurde ich ermahnt, dass man die gute Hand gibt, ich wollte immer die andere geben, die ja meine gute war.
Ich wollte unsere Ministranten auf eine alte Unterscheidung aufmerksam machen. Die finde ich sehr wichtig: Es war ja in früheren Zeiten durchaus üblich, dass man auch vor menschlichen Herrschern auf die Knie ging. Aber da gab es eine Gepflogenheit: In manchen Gegenden tat man dies mit dem linken Knie, und nur vor Gott mit dem rechten. Nur vor Gott! Denn er ist einzig, unvergleichlich herrlich und groß. Eine andere urchristliche Tradition erinnert auch daran. In ihren Gottesdiensten haben die Christen einen Ritus gepflegt, den man vom Empfang des Kaisers oder eines Abgesandten in einer Stadt oder einem Saal kannte: Ihm wurden Huldigungsrufe gegeben, z.B. das Kyrie eleison. Wobei Kyrios ein ganz besonderer Herrschaftsname war, jemand, dem man absolute Autorität gab. Die Christen haben dies zu Beginn ihres Gottesdienstes angestimmt, um den Auferstandenen in ihrer Mitte zu grüßen. Dem Kaiser haben sie diesen Ruf verweigert. Das war in manchen Situationen lebensgefährlich. Ich weiß, wir tun das noch heute. Aber oft ohne Bewusstsein und folgenlos. Vielleicht haben Sie vorhin, als es um das richtige und falsche Knie ging, gedacht: Ich beuge vor niemanden mehr das Knie. Ob das im übertragenen Sinn tatsächlich so ist? Die Riten sind abgeschafft. Aber ob Freiheit wirklich bedeutet, selbstbestimmt zu sein, autonom, zu tun und zu lassen, was man will.oder vielleicht eher, dass ich frei bin zu entscheiden, wem ich Autorität gebe und auf wen ich höre, mit wem ich gehe, das sei dahin gestellt. Der Satz, der uns heute im Evangelium entgegenkommt, ist und bleibt spannend. „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört und Gott, was Gott gehört.“
Bevor wir den Gedanken weiterspinnen, ist es glaube ich wichtig, einen Augenblick die Situation und den Kontext auf uns wirken zu lassen, in der dieser Satz fällt. Es ist eine Situation, die für Jesus durchaus gefährlich ist. Es heißt ja auch, dass sie beraten hatten, wie sie Jesus eine Falle stellen können. Sie suchen etwas, wie sie ihn aus dem Verkahr ziehen können. „Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuern zu zahlen?“, fragen sie ihn. Egal, wie Jesus antwortet, er gerät in Gefahr. Es geht um sein Ansehen, unter Umständen sogar um sein Leben. Wenn er antwortet mit Ja, dann wird er zm Kollaborateur mit der römischen Besatuungsmacht, wenn er mit Nein antwortet, wird er zum Aufrührer gegen die geltende römische Ordnung. Die Pharisäer haben mit Bedacht die Anhänger des Königs Herodes gleich mitgebracht. Mit seiner Antwort entzieht er sich des einen wie des anderen. Und bleibt sich treu. Er gibt Gott, was Gott gehört. Und er gibt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört. Auf die Münze, auf der sein Bild ist weist er hin, er ist also sein Untertan. Aber mit Einschränkung. Er entzieht dem Kaiser jede absolute Macht über ihn, er verrät den Gott Israel und damit sein Volk nicht.
In dieser Antwort steckt etwas, was Sprengkraft hat. Es ist die Entsakralisierung jeder staatlichen Macht, nichts und niemand wird absolut gesetzt oder sogar vergöttert. Darin ist auch eine Warnung vor jedem Personenkult, egal um wen es sich handelt. Niemand ist Kyrios, nur Jesus Christus! Und wenn er der Kyrios, der, dem wir Autorität geben, dann gibt dies auch eine Freiheit inmitten von Freiheitsentzug, den die staatliche Macht setzt. Dann können wir gläubig entdecken, wie auch mitten in den Einschränkungen das Reich Gottes wächst: und sind auch innerlich freier gegenüber unmenschlichem, was im Namen der staatlichen Gewalt passiert, lassen uns nicht anstecken von Propaganda z. B. mit rassistischen Auswüchsen oder gegenüber Minderheiten, prallen Feindbilder an uns ab. Und wenn jemand zum Sndenbock gemacht wird, dass es schon jeman gab, der alle Schuld auf sixch genommen hat. Ich habe mal mit Kindern ein Fußballspiel Deutschland gegen England angesehen und Deutschland hat hoch gewonnen. Die Kinder haben gejubelt. Ein Junge war nicht ganz glücklich, weil er einen Freund in England hatte, der bestimmt ganz wütend sein würde, weil das eine Tor der Deutschen gar kein Tor war. Ein Christ hat immer noch mal einen anderen Blick auf das, was passiert.
Und doch ist ein Christ Teil des Ganzen, in dem er lebt, also der Gesellschaft, seines Landes. Und gerade weil er Gott geben will, was Gott gehört, hält er sich nicht fern, sondern bringt sich ein. Aber er tut es nicht, damit seine Nation groß wird, sondern damit das Reich Gottes im Lebensraum der Menschen wachsen kann. Und er glaubt, dass das das beste ist, was seinem Land passieren kann. Ein altchristliches Wort aus dem zweiten Jahrhundert lautet abgeleitet: Als Christ bin ich Deutscher und als Deutscher bin ich Christ.
Wir können froh sein, dass bei uns die Macht demokratisch geteilt ist. Deshalb gibt es bei uns ja auch keinen Kaiser, sondern einen Bundeskanzleri oder Kanzlerin. Unser Staat lebt ausdrücklich aus Grundlagen, die er nicht selber macht. Sie kommen aus den Familien heraus, aus dem Engagement von denen, die Bürger des Landes sind. Da tummelt sich der Christ. Und das selbstverständlich und mit Rückgrat und frei.
Nehmen wir eine Angelegenheit, die uns in diesen Tagen alle sehr berührt. Was hat unser Kaiser, unsere Bundeskanzlerin gesagt: Wegen der Ansteckungsgefahr gibt es gebotene Verhaltensweisen, was Abstand halten, Masketragen und Hygiene angeht, was das Zusammensein mit anderen oder private Feiern angeht. Die sind uns als Christen aufgegeben und es gibt keinen Grund, sich nicht daran zu halten. Auch wenn es manchmal schwerfällt und auch wirkliche Einschränkungen und Verzicht bedeutet. Zur Verantwortung gehört auch Information, besonnen sein und das eigene Leben und das der anderen wirksam zu schützen. Das bedeutet: Gib dem Kaiser, was dem Kaiser gehört.
Und: Gib Gott, was Gott gehört, was bedeutet das? Für mich als erstes, dass ich mir das Unheimliche nehmen lasse, was mich manchmal überkommt. Wenn ich überall, in den Nachrichten, unterwegs, beim Tanken oder im Supermarkt, die Masken sehe, und dann daran denke, dass da etwas ist, was eine echte Bedrohung ist und jeden jederzeit treffen kann mit Folgen, die schwer einzuschätzen sind, dann macht mir das untergründige Angst. Dann versuche ich mir klar zu machen, dass ich das meine tue, um mich und andere zu schützen, und die dafür geeigneten Mittel einsetze. Aber mehr kann ich nicht tun. Und das ist nicht anders, wie ich anderen gefahren begegne, wenn ich die Ampelsignale beachte, die Warnzettel lese und vieles mehr. Es gibt so viele Situationen, die eine Gefährdung sind, viel mehr, als ich mir klar mache. Und wenn ich versuche, meins beizutragen, dann darf ich glauben, dass mein Leben in Gottes guter Hand liegt, genauso wie vor dem Coronavirus.
Und dass wir unseren Beitrag leisten, ist ja sogar auch, dass wir Gott geben, was Gott gehört. Für mich ist Maske aufsetzen eine Überwindung. Aber ich versuche mir klar zu machen, dass ich damit ja nicht zunächst mich, sondern andere schütze. Also setze ich ihn halt auf, meinen Mund-Nasen-Schutz und gehe in den Einkaufsmarkt. Wenn ich dann andere Leute sehe auch mit Maske, dann tun die das ja auch für mich. Dasselbe gilt für das Halten von Abstand. Ich respektiere andere Menschen und ihre Gesundheit, wenn ich darin wachsam bin und sie tun dies bei mir. Das ist eine Weise, wie ich Wertschätzung und Güte empfange und gebe. Ich versuche, davon zu leben und das Verhalten anderer Menschen so anzunehmen. Natürlich gibt es echte Not, die sich aus einigen Anweisungen für Einzelne ergeben können. Da könnte das „Gott geben, was ihm gehört“ auch bedeuten, dass ich mutig bin und meinen Schtuz hintenan stelle. Wobei immer auch die Gefährdung, die von mir ausgehen könnte, mitbedacht werden muss. Wenn es etwas heilsames gibt in dieser Situation, dann doch, dass die Solidarität untereinander herausgefordert wird, und so vielleicht gestärkt.
Das ist dann eine Weise des achtsamen Umgangs miteinander. Dazu gehört auch, Verzichte und Einschränkungen anderer, die weit aus größer sind als meine eigenen, bewusst wahrzunehmen und vielleicht auch auszugleichen. Solidarität ist da das Gebot der Stunde. Wenn z.B. ein Geschäft schließen muss, wo jemand von uns öfters einkauft, dann kann ein eigener Beitrag, eine Unterstützung manchmal wirklich helfen. Und noch etwas ist angefragt: Phantasie. Was ist möglich? Vielleicht viel mehr als ich in den gewohnten Bahnen denke. Als Jesus in einem Haus so von Menschen umringt war, dass es kein Reinkommen gab für die Männer, die einen Mann auf der Bahre zu ihm bringen wollten, da haben sie kurzerhand das Dach abgedekct und ihn von oben herunter gelassen. Wörtlich heißt dann im Text: „Als Jesus ihren Glauben sah,“ da wandte er sich dem Gelähmten zu. Vielleicht hängt es an dem Maß, wie wir wirklich wollen, was der Wille Gottes ist. Vielleicht kann so diese Zeit für uns nicht zu einem Trauma, sondern zu einem Segen werden.