Predigt zum 4. Fastensonntag 2021
Aus dem Evangelium Jesu Christi nach Johannes.
In jener Zeit sprach Jesus zu Nikodémus:
Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat,
so muss der Menschensohn erhöht werden,
damit jeder, der glaubt,
in ihm ewiges Leben hat.
Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt,
dass er seinen einzigen Sohn hingab,
damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht,
sondern ewiges Leben hat.
Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt,
damit er die Welt richtet,
sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.
Wer an ihn glaubt,
wird nicht gerichtet;
wer nicht glaubt, ist schon gerichtet,
weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes
geglaubt hat.
Denn darin besteht das Gericht:
Das Licht kam in die Welt,
doch die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht;
denn ihre Taten waren böse.
Jeder, der Böses tut,
hasst das Lichtund kommt nicht zum Licht,
damit seine Taten nicht aufgedeckt werden.
Wer aber die Wahrheit tut,
kommt zum Licht,
damit offenbar wird,
dass seine Taten in Gott vollbracht sind.
Evangelium unseres Herrn Jesus Christus
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Laetare, „Freue Dich!“ So heißt der heutige Sonntag. Vermutlich denkt man dabei in diesen Tagen unmittelbar an die Lockerungen der coronabedingten Einschränkungen, an die Einzelhändler, die gar nicht mehr wussten, wie sich das anfühlt, wenn man morgens den Laden öffnet. Wobei ich nicht weiß, ob ich mich mitfreuen soll. Ich befürchte, dass das zu früh ist, dass man besser gewartet hätte, bis wenigstens die älteren Menschen unter uns alle geimpft sind, jetzt, wo sich durch die neue agressivere Variante wieder mehr Menschen anstecken. Sonst müssen die Läden vermutlich bald wieder schließen.Bloß, worüber soll man sich denn sonst freuen? Sind nicht die Tage trist und eher leidvoll als frohmachend? Und für viele erscheint es schlicht als Überforderung, wenn das jetzt noch so weiter gehen soll wie schon viel zu lange. Die kirchlich Informierten, die wissen schon, dass hinter „Freue dich!“ eine liturgische Tradition steckt, dass dieser Sonntag mitten in der Fastenzeit diesen Namen hat: Laetare, zu deutsch: Freue dich! Dann ist man schnell dabei zu sagen: das macht man so und der Ruf verpufft. Wie ja die Liturgie als Ganzes. Es tut mir weh, wenn ich sehen muss, dass das, was da begangen wird in der Kirche, nicht mehr viel mit dem Leben zu tun hat, dass man sonst so führt. Und man auch davon nicht mehr viel erwartet. Und das scheint auch gesättigt zu sein mit Erfahrung. Ich beobachte, dass man es ablegt wie einen alten muffigen Mantel, den man durch eine moderne Jacke ersetzt.Aber ich bin katholischer Priester und ich habe nichts anderes anzubieten. Das ist frustrierend, aber eigentlich kein neues Phänomen. Als ich mit meinem Freund 1997 in den Ferien in Irland war, da sagte ein irischer Priester über die Leute seiner Gemeinde: „What I want to give them, they don`t want.“ Was ich ihnen geben will, das wollen sie nicht! Vermutlich ist es tatsächlich so, dass wir das, was uns da aus jahrhundertelanger Praxis und Erfahrung entgegen gereicht wird, neu für uns wahrnehmen und entdecken müssen.Warum so ein langer Vorspann sozusagen? Weil es an diesem Sonntag in der Liturgie um etwas geht, was unbestechlich offenlegt, wie es um unsere Glaubensgemeinschaftsteht, die wir Kirche nennen. Es geht um unsere Freude dran. Und zwar zunächst und vor allem um unsere Freude an Gott und daran, dass wir an ihn glauben können. Und an dem, was er an uns getan hat und was er für uns ist, oder vielleicht besser: sein will. Ich lade Euch ein, dass wir dem ein wenig nachgehen. Das, so hoffe ich, kann uns gut tun.Der heutige Sonntag hat den Namen „Laetare“. Das stammt von einem sehr alten Brauch, die Sonntage nach dem ersten Wort des sog. Eröffnungsverses zu benennen. Natürlich in Latein, weil das früher die gängige Sprache war in der Liturgie. Übrigenseine Tradition, die sich in der evangelischen Kirche erhalten hat (sogar in Latein, obwohl das dort sonst schon von Anfang an nie eine Rolle gespielt hat). Bei uns gibt es das nur noch als Benennung an zwei Sonntagen im Jahr. Und einer davon ist der Sonntag in der Mitte der Fastenzeit. Und der Eröffnungsvers für diesen Sonntag stammt aus dem Buch Jesaja. „Freue dich, Stadt Jerusalem! Seid fröhlich zusammen mit ihr, alle, die ihr traurig wart. Freut euch und trinkt euch satt an der Quelle göttlicher Tröstung.“ Das Motiv der Freude wird im Gebet zu diesem Tag aufgegriffen. Da heißt es: „Gib deinem Volk einen hochherzigen Glauben, damit es mit froher Hingabe dem Osterfest entgegeneilt.“ „Hochherzig“, ich habe dabei an einen Satz denken müssen, der mich mal sehr angesprochen hat. Da heißt es in einem Brief des Paulus, als es um Spenden geht: Gott liebt einen fröhlichen Geber! Und „mit froher Hingabe“. Das beschreibt eine Leichtigkeit, die großzügig und frei sein lässt.Könnte es sein, dass dies die Haltung ist, die mit allem Üben und Verzichten in der Fastenzeit angestrebt wird? Und nicht nur Ziel, sondern auch Ursache ist: Ohne Freude ist es doch leer und sinnlos, sich überhaupt zu mühen? Man muss nur die Perspektive umdrehen, dann leuchtet es ein: Wie fühlt sich wohl ein Kranker, der vonjemand Besuch bekommt, der sich an ihm nicht freuen kann?Bloß, so kann man hier einwenden: Freude ist doch dem eigenen Wollen entzogen. Ich habe sie oder ich habe sie nicht. Und sie ist auch nicht zu messen, sie unserem eigenen Zugriff entzogen. Ich kann sie nicht machen, hervorbringen. Aber ohne sie istalles nichts. Wenn man das so sieht, dann muss man vielleicht sagen: Alle Dinge, die wirklich Grund sind für uns, uns zu schämen, haben mit einem Mangel an Freude zu tun! Ja, wer die Frage danach zulässt, kommt seiner eigenen Motivation wirklich auf die Spur. Wie heißt das? Wovon das Herz voll ist, davon läuft der Mund über! Und beim hl. Augustinus gibt es das Wort: Mensch, lerne tanzen, sonst können die Engel im Himmel mit dir nichts anfangen. Freude also als die Sprache des Himmels, ohne die man nichts versteht? Und Freude dann als die Kommunikation und den Austauschall derer, die Gott schauen?„Gott, der reich ist an Erbarmen, hat uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren, inseiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, zusammen mit Christus lebendig gemacht“, heißt es in der Lesung heute. Und weiter: „… um uns den überfließenden Reichtum seiner Gnade zu zeigen!“ Man muss nur dran glauben, so einfach ist das. Deshalb wird da behauptet: „Denn aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, nicht aus eigener Kraft – Gott hat es geschenkt -“Das Evangelium, das heute uns als Einladung zur Freude geschenkt hat, ist eine großeEinladung zu Einsichten, die Freude auslösen. Es ist übrigens ein Ausschnitt aus einem Nachtgespräch, also in einer Situation entstanden, wenn genügend Abstand und Konzentration auf das Wesentliche möglich ist. Es beginnt mit einem Bildwort: Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, in ihm ewiges Leben hat!“ Der Menschensohnerhöht? Das ist doch wohl das aufgerichtete Kreuz, an dem er hängt. Am Freitag haben wir am Grab eines Freundes ein Kreuz aufgestellt. Er hatte einen Lieblingssatz:Ich glaube an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat! Wenn wir zum Kreuz aufblicken, dann ist das der Glaube, dass jede und jeder sich sagen kann: Er hat mich geliebt und sich für mich hingegeben! Geliebt sind wir, und es zeigt sich so krass, dass es heißt: „Für mich hingegeben!“ Wen das nicht berührt, der ist nicht zu retten! Damals bei Mose in der Wüste, war es beim Aufblick zu der erhöhten Schlange so, dass die Menschen vom Gift des Schlangenbisses geheilt wurden. Könnte es sein, dass dieser Aufblick ebenfalls von Gift heilt, dass uns unsereSeele und damit das Leben zerstört. Vom Gift des Neids, vom Gift der Eifersucht, vom Gift der tiefgründenden Angst, vergessen zu werden und nichts wert zu sein. Und wir werden gerettet und befreit zu dem, wer wir in Wahrheit sind: Menschen, dieEbenbild Gottes sind, die einander lieben, wie sie sich geliebt wissen von dem, zu dem sie aufblicken. Eine kleine Beobachtung: Bislang hieß es in der Übertragung: „… damit jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben hat“, nun wird genauer übersetzt:„… ewiges Leben hat“. Das, was wir empfangen im Aufblick, ist Leben, dass jetzt schon da ist, ist Leben aus dem Himmel, aus Gott, aber auf die Erde gekommen, bleibendes in der Vergänglichkeit. Die Begründung ist ganz schlicht und so unglaublich: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt!“ So sehr! Du siehst es im Blick auf den, der erhöht ist! Und dann kommt noch etwas, was endgültig entgiftet: „Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird!“ Das Gift des gegenseitigen Vergleichens und des daraus resultierenden Richtens erübrigt sich. Keiner blickt mehr herab auf mich,