Herzlich Willkommen

Predigt zum 3. Sonntag der Osterzeit 2021

von unserem Pfarrer Christian Vornewald

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas.

Die beiden Jünger, die von Emmaus zurückgekehrt waren,

erzählten den Elf und die mit ihnen versammelt waren,

was sie unterwegs erlebt

und wie sie Jesus erkannt hatten,

als er das Brot brach.

Während sie noch darüber redeten,

trat er selbst in ihre Mitte

und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!

Sie erschraken und hatten große Angst,

denn sie meinten, einen Geist zu sehen.

Da sagte er zu ihnen: Was seid ihr so bestürzt?

Warum lasst ihr in eurem Herzen Zweifel aufkommen?

Seht meine Hände und meine Füße an:

Ich bin es selbst.

Fasst mich doch an

und begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen,

wie ihr es bei mir seht.

Bei diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und Füße.

Als sie es aber vor Freude immer noch nicht glauben konnten

und sich verwunderten,

sagte er zu ihnen: Habt ihr etwas zu essen hier?

Sie gaben ihm ein Stück gebratenen Fisch;

er nahm es und aß es vor ihren Augen.

Dann sagte er zu ihnen:

Das sind meine Worte,

die ich zu euch gesprochen habe, als ich noch bei euch war:

Alles muss in Erfüllung gehen,

was im Gesetz des Mose,

bei den Propheten und in den Psalmen

über mich geschrieben steht.

Darauf öffnete er ihren Sinn

für das Verständnis der Schriften.

Er sagte zu ihnen: So steht es geschrieben:

Der Christus wird leiden

und am dritten Tag von den Toten auferstehen

und in seinem Namen

wird man allen Völkern Umkehr verkünden,

damit ihre Sünden vergeben werden.

Angefangen in Jerusalem, seid ihr Zeugen dafür.

Evangelium unseres Herrn Jesus Christus

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Es muss sich schnell was ändern, nur noch 10 % freie Intensivbetten, oh nein, wieder Shut down, aber richtig. Viele sagen: Ich kann nicht mehr. Und wieder streitet die Politik: „Man könne eine Gesellschaft auch noch zu Tode schützen“, formuliert ein ehemaliger Verfassungsrichter. Aber wenn doch tatsächlich der Tod eine reelle Gefahr ist, wie Intensivmediziner immer wieder eindringlich warnen. Kakophonie, wie mit dem Virus und der daraus resultierenden Situation umzugehen ist. Und von Tag zu Tag trifft man Menschen, die mit großer Erleichterung berichten: Ich bin geimpft. Aber es sind noch viel zu wenige. Viele haben sich lange nicht mehr gesehen in der Familie, geschweige denn angefasst oder gedrückt. Wieder steht das Geschäft geschlossen, die Kneipe, für manche so etwas wie das zweite Zuhause, ist seit Monaten dicht. Zur goldenen Hochzeit, zur Beerdigung, zum großen runden Geburtstag kommen nur der engste Kreis. Die Feiern, die Fahrten, die alle irgendwann nachgeholt werden sollen, stapeln sich allmählich. Es ist schwierig und schwieriger. Die Sehnsucht, dass diese Pandemiezeit doch bald vorüber sei, wächst von Tag zu Tag. Aber erst muss das geänderte Infektionsschutzgesetz vom Bundestag und vom Bundesrat verabschiedet werden. Und gegen die darin verfügte Ausgangssperre ab einer Inzidenz von 100 wird geklagt werden in Karlsruhe. Und wir bleiben ohnmächtig zurück und hören, wie die Zahlen der Infizierten steigen.

Am Mittwochmorgen habe ich im Morgengebet Psalm 77 gebetet, und es war mir aus der Seele gesprochen.

Ich rufe zu Gott, ich schreie, ich rufe zu Gott, dass er mich hört. Am Tag meiner Not suche ich den Herrn;/ unablässig erhebe ich nachts meine Hände, meine Seele ließ sich nicht trösten.  Denke ich an Gott, muss ich seufzen; sinne ich nach, dann will mein Geist verzagen. Offen gehalten hast du die Lider meiner Augen; ich bin aufgewühlt und kann nicht reden. Wird der Herr denn auf ewig verstoßen und niemals mehr seine Güte erweisen? Hat seine Huld für immer ein Ende? Hat sein Wort aufgehört für alle Geschlechter? Hat Gott vergessen, dass er gnädig ist? Oder hat er im Zorn sein Erbarmen verschlossen?

Wenn es einem nicht gut geht, dann darf man das auch ausdrücken, ja man darf auch schimpfen mit Gott, darf seiner Enttäuschung und Angst im Gebet Lauf lassen. Es scheint so, als sei die Sicherheit, die Gott unserem Leben gibt, brüchig geworden. Trägt er uns noch, oder hat er sein Erbarmen für uns verschlossen, wie der Psalm fragt? Wenn man so fragt, dann kann es sein, dass einem in der Bedrängnis der Blick auf Gott verloren geht, etwa so: Jetzt muss ich mir selber helfen, retten, was sich retten lässt, da hilft niemand, auch kein Gott.

Ich habe dann weiter gelesen in dem Psalm: Der Text nimmt eine Wendung, auf die man vielleicht im Moment nicht kommt: Es heißt da:

„Da sagte ich: Das ist mein Schmerz, dass die Rechte des Höchsten so anders handelt?“ Nein, der Beter lässt nicht ab von Gott, auch wenn alles dagegen spricht! „Ich denke an die Taten des HERRN, ja, ich will denken an deine früheren Wunder. Ich erwäge all deine Taten und will nachsinnen über dein Tun. Gott, dein Weg ist heilig. Welche Gottheit ist groß wie Gott?“

Ich musste daran denken, dass ich mal gehört habe, dass es für die Menschen der Bibel wichtig war, den Blick auf Gott nicht aufzugeben. Und lieber Gott etwas zugeschrieben haben, was befremdend wirkt, als den Glauben aufzugeben, dass Gott allmächtig ist und er alles in der Hand hat. Das ist mein Schmerz, dass die Rechte des Herrn so anders handelt. Die da aufkommende Frage, ob denn Gott nicht gut ist zu uns, begegnet der Beter damit, dass er sich daran erinnert, was denn Gott schon alles gutes getan hat. Auf dass er das Wissen darüber, dass Gott gut ist, in sich erneuert. Der Beter des Psalms besinnt sich natürlich auf das Grundereignis des Volkes Israels, die Befreiung von der Übermacht aus der Sklaverei, wie sie durch das rote Meer geführt wurden.

Sich erinnern, kann das vielleicht auch ein Weg sein, in dieser Situation klar und ruhiger zu bleiben? Nicht im Sinn einer Flucht aus der Gegenwart in schöne Träume, sondern eher im Sinn, dass wir die Perspektive Gottes nicht aufgeben, weil es sich schon als gut erwiesen hat, dass wir leben.

Vierzehn Tage nach Ostern hören wir im Evangelium von Leuten, die sich erinnern! Die einen erinnern sich, dass Jesus in ihre Mitte trat, die anderen daran, dass er auf dem Weg mit ihnen ging und sie ihn erkannten, als er ihnen das Brot brach: Brannte uns nicht das Herz … Und während sie sich davon erzählen, beginnt eine neue Wirklichkeit: Jesus ist unter ihnen. Er ist nicht weg, sondern da! Und die Befreiung, der Trost, das ganz andere, was sie sich gegenseitig vor Augen gestellt hatten, wird neu Wirklichkeit. Und dann stehen da die wunderbaren Worte: Sie konnten es vor Freude immer noch nicht glauben, es war also irgendwie zu schön um wahr zu sein. Vielleicht ist darin ja eine Einladung, sich an Zeiten, Momente zu erinnern, wo Du/Ihr, wo Sie auch sagen können im Rückblick: Brannte uns nicht das Herz? Als wir … als sich alles ganz anders wendete … als Dich ein Wort aus dem Evangelium getroffen hat … als wir gegen alle Hoffnung doch gehofft haben … Das verändert den Blick auf die Realität, das gibt eine andere befreiende Sicht auf dasselbe wie zuvor. Nicht, dass wir dann unrealistisch und euphorisch werden, nein es ist und bleibt schwierig, aber mitten drin in der Situation wächst ein Bewusstsein, dass da jemand mit uns wandert, dass wir nicht uns selbst überlassen sind. Am Ende der Erzählung deutet Jesus ihnen ihre Erfahrung. Mit Erfahrung ist die für die Jünger absolut schreckliche Erfahrung gemeint, dass ihre ganze Hoffnung zerplatzt war, dass der, auf den sie alles gesetzt hatten, gestorben ist und noch dazu am Kreuz. Wie soll man da noch einen Gedanken an Gott haben, sie sind sich selbst überlassen, der, dem sie gefolgt sind, hat sie verlassen. Alles ist ein einziger Scherbenhaufen. Wie diese Situation mit Gott zusammenkriegen? Wie schon auf dem Weg nach Emmaus zeigt er ihnen auf, dass da nichts aus dem Ruder gelaufen ist, sondern dass dies der Weg Gottes ist. Und er bemüht dafür die ganze heilige Schrift, so dass sie dann vielleicht sagen können: Ach so!

Dass dies der Weg Gottes ist? Das, wo wir jetzt drinstecken? Mit all den Belastungen und Schwierigkeiten, den Kindern, die leiden, den alten Menschen, die einsam sterben mussten, denen, die ihre Arbeit oder sogar ihre ganze Perspektive verloren haben und und und? Ich weiß, darauf gibt es keine einfache Antwort. Ich habe keine. Aber vielleicht erschließt sich uns etwas, was uns lebendig macht.

Ich glaube, dazu gehört, dass wir wie die Jünger von Jesus uns die Dinge erzählen, die uns geschenkt werden. Gestern hatte ich die Freude, eine goldene Hochzeit mitfeiern zu dürfen. Eigentlich auch so eine Notfeier, coronabedingt. Aber dann wurde daraus etwas ganz besonderes, in dem intimen Rahmen nur der engen Familie war eine Dankbarkeit möglich, ein Einblick in das, was das Leben dieser Familie reich macht, wie es unter anderen Umständen wohl nicht geschehen wäre. Ich erzähle nur eine kleine Begebenheit. Z.Zt. ist es ja in der Kirche nicht möglich, dass alle zusammen singen, es kann nur immer eine einzelne Person etwas singen. Bei dem Gottesdienst hieß das Eingangslied: Ein Danklied sei dem Herrn …, die drei Töchter des Goldpaares haben je eine Strophe von diesem Lied gesungen, diejenigen, die der größte Grund sind für das Ehepaar zu danken, diejenigen, die ihr Leben denen verdanken, deren Ehe wir gefeiert haben. Von Hans Urs von Balthasar gibt es ein Buch mit dem Titel: Das Ganze im Fragment! Vielleicht zeigt sich ja in diesen Tagen uns etwas davon. So dass wir nicht ohne Licht durch diese Zeit gehen und manchmal mittendrin beschenkt werden. Während sie noch darüber redeten, trat er selbst in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!