Predigt zum 27.09.2020
von unserem Pfarrer Vornewald
„Ja, mache ich“, sagte ich meiner Großmutter. Sie hatte mich gebeten, noch am Abend die Spülmaschine auszuräumen. Sie wollte ins Bett gehen. Ich saß vor dem Fernsehen, es lief Fußball. Als ich mich eine ganze Zeit später vom Sessel vor dem Fernseher erhob und nach noch einer Zeit später in die Küche kam, war die Spülmaschine ausgeräumt. Ich hätte wissen müssen, dass sie nicht schlafen geht, bevor nicht alles für den nächsten Morgen vorbereitet ist und ich wusste ganz genau, wie schwer ihr es fiel in ihrem Alter, sich zu bücken. Habe ich mich geschämt!
Das Gleichnis, das Jesus erzählt, ist ganz einfach und logisch. Der, der es macht, ist im Recht oder besser mit seinen Worten: „hat den Willen seines Vaters erfüllt“. Also mach es und alles ist gut. Steh auf vom Fernseher, wenn du um was gebeten wirst, sieh zu, so zu leben, dass Du verfügbar bist, wenn Fragen und Ansprüche Dich erreichen. Sei den Dingen, die Du magst und gerne machst, gegenüber so frei, dass Du in der Lage bist, sie zu beenden, wenn es nötig ist. „Wer die Wahrheit tut, kommt zum Licht!“, sagt Jesus. Dem wird jeder zustimmen. In der Theorie, aber auch in der Praxis?
Aber das Gleichnis, das Jesus erzählt, erhält durch die Adressaten und durch die Situation, in der er es erzählt, eine eigene Brisanz. Denn die Adressaten, denen er dies auftischt, sind die Hohenpriester und die Ältesten des Volkes. Und er redet so mit ihnen, nachdem er schon in die Stadt Jerusalem eingezogen ist. Beides steigert sich gegenseitig. Eigentlich schon von Beginn seines öffentlichen Lebens an ist er in Gefahr. Schon ganz früh wird berichtet, dass die Pharisäer, die Ältesten und die Schriftgelehrten überlegen, wie sie ihn beseitigen können. Und je mehr er von seinem Vater im Himmel spricht und sein Reich verkündet, desto explosiver wird die Situation. Er hält sich nicht an die Gesetze, er lässt sich auf Leute ein, die als Sünder galten und ausgestoßen waren aus der religiösen Gemeinschaft, Zöllner und Dirnen, er heilt am Sabbat, er untergräbt die religiöse Autorität des Hohenpriesters und der Schriftgelehrten und kritisiert sie massiv. Das alles tut er nicht, weil er ein Rebell oder ein Revoluzionär wäre, es ist ganz schlicht die Folge aus seiner Verkündigung des Gottesreichs. Und nachdem er thriumphal als der Christus in Jerusalem eingezogen ist, spitzt sich die Lage noch weiter zu. Da ist es schon sehr mutig, einen solchen Vergleich zu machen, den Hohenpreistern einen solchen Spiegel vorzuhalten und zu sagen, dass Zöllner und Dirnen eher in das Reich Gottes kommen als sie.
Ja, mache ich, das hatte Jesus schon im ewigen Willen Gottes gesagt, wohl schon, bevor die Welt mit all ihren Folgen geschaffen wurde. „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich.“ So heißt es im Brief an die Gemeinde in Philippi, wir haben das vorhin gehört. Man sagt, der Apostel habe diese Worte, die vermutlich ein Lied sind, schon selber übernommen, sie sind also aus den ältesten Schichten des Neuen Testaments. „Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz!“ So geht der Text weiter. Ja, mache ich, wenn man es so anschaut, dann kann man sehen, dass das ganze Leben Jesu ein tiefer Gehorsam ist, ein Hören auf das, was er von Gott gesagt bekommt. Und indem er tut, was ihm gesagt wird, wird aus dem Hören Gehorsam. Gehorsam ist ein schwieriges Wort bei uns, unser deutsches Volk ist mit diesem Wort furchtbar missbraucht worden. Aber sein Gehorsam ist das Hören auf den, den er zärtlich seinen ABBA nennt, ist ein Einfühlen und Einschwingen in den, der mit unendlicher und unergründlicher Liebe auf seine Geschöpfe schaut. Gehorsam ist bei Jesus die Seite seiner Liebe, wo sie zur Wirklichkeit wird, wo sie sich umsetzt in reale, sichtbare und wirksame Zuwendung. Klar kann ich sagen: Oma, ich liebe dich. Aber wahr wird es, wenn ich ihr den Sprudelkasten aus dem Keller hole … Es kann zwar sein, dass sich der Gehorsam ausspreizt bis ins nicht verstehen und nicht selber wollen wie am Ölberg, aber gerade am Ölberg ist uns zum einzigen Mal wörtlich überliefert, wie Jesus Gott ABBA nennt. Und er hat nicht gesagt: Wenn ihr nicht werdet wie die Soldaten, sondern: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen!“ Sein Gehorsam ist die herbe Seite der Haltung des sich Anvertrauens, ist Ausdruck gelebter Liebe zu seinem Vater und zugleich zu uns.
Ja, mache ich! Der Apostel Paulus sagt, in Jesus sei nicht das JA und NEIN zugleich gekommen, sondern das JA verwirklicht. Er ist das Ja zu allem, was Gott verheißen hat. Und unser Text berichtet im Folgenden vom JA Gottes zu ihm: „Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen“. Nicht, dass Jesus sich einen Namen gemacht hätte, Gott hat ihm einen Namen gegeben, der größer ist als alle Namen.
Wie geht das, dass wir mit Jesus das JA verwirklichen, dass wir zu denjenigen gehören, die in den Weinberg gehen, die auf ihn hören und gehorchen. Der Hymnus wird mit den Worten eingeführt: „Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht:“ Was das bedeutet, beschreibt der Apostel in den Worten zuvor: „Wenn es eine Ermahnung in Christus gibt, einen Zuspruch aus Liebe, eine Gemeinschaft des Geistes, ein Erbarmen und Mitgefühl, dann macht meine Freude vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, einander in Liebe verbunden, einmütig, einträchtig, dass ihr nichts aus Streitsucht und nichts aus Prahlerei tut. Sondern in Demut schätze einer den andern höher ein als sich selbst. Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das der anderen.“ So geht also das Leben im Weinberg; eines Sinnes sein, einander in Liebe verbunden, einmütig sein. Und dann stehen da Worte, die sehr anspruchsvoll sind, aber warum sollen wir uns nicht nach der Decke strecken: „In Demut schätze einer den andern höher ein als sich selbst.“ Bei der sog. Partnerzentrierten Gesprächsführung gibt es drei Grundhaltungen, dass ein Gespräch hilfreich sein kann: Eine davon ist Wertschätzung. Das heißt: Ohne eine ehrliche Achtung vor dem anderen kann ich mit ihm kein hilfreiches Gespräch führen. Wenn es unter uns eine gegenseitige Wertschätzung gibt, wo man nichts schlechtes über die anderen denkt und nichts böses vermutet, dann helfen wir uns gegenseitig, Menschen zu sein. Ich weiß, das klingt fast naiv, aber ist es nicht schlimm, dass wir uns eine solche Atmosphäre kaum vorstellen können, dass man anfängt zu grinsen, wenn jemand sowas beschreibt. Vielleicht ogar aus Erfahrungen, die man in einer kirchengemeinde geacht hat.
Wenn Gott uns fragt, dann können wir mit Freude antworten: Ja, mache ich! Ob wir es dann auch tatsächlich tun, hängt wohl viel davon ab, in welcher Beziehung wir zu dem stehen, der uns fragt. Ich habe mir überlegt, warum die Zöllner und Dirnen in den Weinberg gegangen sind. Vielleicht war es deshalb, weil es für sie ein völlig unverdientes Geschenk war, dass sie gefragt wurden. Wir haben allen Grund, es für uns genauso zu sehen. Gar nicht so sehr, weil wir schlecht sind, sondern weil die Liebe zu uns, die sich darin zeigt, so unglaublich groß ist.