Predigt zum 14.02.21
von unserem Pfarrer Vornewald
Evangelium MK 1,40-45
Aus dem Evangelium nach Markus
In jener Zeit
kam ein Aussätziger zu Jesus
und bat ihn um Hilfe;
er fiel vor ihm auf die Knie
und sagte: Wenn du willst,
kannst du machen, daß ich rein werde.
Jesus hatte Mitleid mit ihm;
er streckte die Hand aus,
berührte ihn und sagte: Ich will – werde rein!
ISogleich verschwand der Aussatz
und der Mann war rein.
Jesus schickte ihn weg,
wies ihn streng an
und sagte zu ihm:
Sieh, dass du niemandem etwas sagst,
sondern geh, zeig dich dem Priester
und bring für deine Reinigung dar, was Mose festgesetzt hat –
ihnen zum Zeugnis.
Der Mann aber ging weg
und verkündete bei jeder Gelegenheit, was geschehen war;
er verbreitete die Geschichte,
sodass sich Jesus in keiner Stadt mehr zeigen konnte;
er hielt sich nur noch an einsamen Orten auf.
Dennoch kamen die Leute von überallher zu ihm.
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Und die schwierigen Zeiten gehen weiter. Der Lockdown wird fortgesetzt. In drei Wochen kann man wenigstens mal wieder zum Friseur gehen. Schon jetzt sind die Termine ausgebucht, wie mir jemand gesagt hat. Gibt es denn keinen anderen Weg? Auf den ersten Blick hört sich das Evangelium von heute so an, als sei es eine Aufforderung, mutig andere Wege zu gehen. Mich hat es immer sehr beeindruckt, dass es heißt: „Jesus hatte Mitleid mit dem Aussätzigen, er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will – werde rein!“ Wie schön wäre das, wenn wir uns die elementaren Gesten der Menschlichkeit und Verbundenheit wieder geben würden, uns die Hand geben, zusammen singen und tanzen, uns in den Arm nehmen und die nun gebotene Kontaktlosigkeit und die daraus resultierende Einsamkeit einfach hinter uns lassen. Ich habe in dieser Woche ein Video bekommen, wo christliche Coronaleugner dies sehr einfühlsam beschreiben. Es wird dabei immer wieder darauf verwiesen, dass wir aus Angst so handeln und Angst wird per se negativ gesehen. Aber wenn die Angst doch dazu da ist, uns zu schützen? Und das Leiden und der Tod, vor dem die Angst uns schützen will, gegenwärtig ist? Auf diese Frage habe ich keine wirkliche Antwort gehört. Soll das etwa heißen: Lieber sterben, als so leben.
Auf dieses Evangelium können sich die Leute, die so denken und empfinden, eher nicht berufen. Jesus möchte die Quarantäneregeln, die man notgedrungen gegen die Ausbreitung von Lepra beschlossen hatte, nicht aus den Angeln heben. Menschen, an denen man Lepra entdeckt hatte, mussten sich außerhalb jeglicher Zivilisation aufhalten und durften niemand zu nahekommen. Sie mussten rufen: Aussatz, Aussatz! Natürlich war das unmenschlich, aber man wusste sich nicht anders zu helfen. Genau wie manche Situationen, in die Menschen bei uns geraten können, wenn sie sogenannt kontaktlos bleiben müssen. Aber der Weg Jesu ist nicht der, dass diese Regeln über den Haufen geworfen werden sollen. Sonst würde er dem Aussätzigen nicht sagen: Zeig dich dem Priester. Und er möchte nicht so verstanden werden, dass sein verhalten zur Norm wird, deshalb verbietet er dem Mann streng, irgendjemand davon zu erzählen. Als es der Mann doch tut, muss Jesus selber in Quarantäne. Er konnte sich nur noch an einsamen Orten aufhalten, heißt es. Auch wenn es sich beim ersten Hören vielleicht anders anhört: Jesus ist nicht gekommen, um die Grenzen und Gefährdungen unseres Lebens zu durchbrechen, sondern er teilt sie mit uns. So werden sie von innen durchbrochen und überwunden, nicht indem man sie einfach nicht befolgt, sondern durch den Geist, der keine Grenzen hat. So wird gerade im Teilen der bedrohenden Grenzen das Gottesreich bezeugt, bis in die eigene Quarantäne, bis in seine Einsamkeit, als er außerhalb der Stadtmauern zwischen Himmel und Erde hängt und verlassen stirbt. Genau so wird die Erfahrung zugänglich, dass die Liebe ohne Grenzen ist, dass sie alles überwindet!
Was ist dann die Botschaft? Wenn wir uns vor Augen stellen, dass wir uns im ersten Kapitel des Markusevangeliums befinden, dann wird uns Jesus vorgestellt als Keimzelle einer neuen Epidemie, die zur Pandemie wächst. Wer ihn berührt, wird angesteckt zu Gesundheit und Leben. Von ihm geht etwas aus, was sich ausbreiten soll. Hören wir nochmals die ersten Worte, die Jesus im Evangelium spricht: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“ Im Advent habe ich neu das Bild entdeckt, wo der Engel mit einer ganz zarten Berührung mit nur einem Finger die Könige weckt, d.h. er weckt nur den ersten, auf dem Bild schlafen die anderen noch. Aber der erste gibt die Berührung weiter. Und alle drei laufen los, dem Stern ihrer Sehnsucht folgend … Der Stern hat acht Zacken, am achten Tag ist Jesus auferstanden. Jesus ist die Initialzündung für die Pandemie, die im Evangelium „das Reich Gottes“ genannt wird. Ich frage mich: Bin ich schon positiv? Bin ich infiziert, hoffentlich hochgradig? Hat mich der Atem des Gottesgeistes erreicht und beatmet und durchweht meine Lunge? Gebe ich die Viren dieser glücklichen Infektion weiter, so viel und stark wie möglich? Es verändert Menschen, sie werden rein, sie werden aus ihrer Isolation in die Gemeinschaft der Menschen hineingenommen!
Das kann in uns in diesen schwierigen Tagen eine andere Grundatmosphäre bewirken. Zuerst mal darf ich mir sagen, ich bin positiv, bevor ich mich weiter darum bemühe, negativ zu bleiben. Und alle Bemühungen, dass wir negativ bleiben, sind darum unterfangen von dem glücklichen, frohen Wissen, dass wir positiv sind. Die Grenzen, die wir in diesen Tagen auferlegt bekommen, werden so zu einer Chance, wenn wir sie annehmen, dass die andere Pandemie, die des Gottesreichs, sich ausbreitet. Vielleicht kann auch der Gedanke helfen, dass wir auf Berührung verzichten können, weil wir ja schon berührt sind.
Das heißt aber nicht, dass die Grenzen nicht hart und schmerzlich sein können. Im Teilen dieser Grenzen wächst das Gottesreich. Das könnte doch zur Initiative werden, wo z.B. jemand den Wirt seines Stammlokals nicht ohne Einnahmen lässt, indem er genauso oft und mit demselben finanziellen Einsatz bei ihm Essen bestellt … oder den Laden, wo es seine Hobbyutensilien gibt, nicht im Stich lässt und nicht einfach im Internet bestellt, oder die Familie mit den Kindern, die jetzt Probleme haben, so gut es geht, unterstützt. Von solchen Beispielen wird leider nicht viel berichtet! Und das, wo doch das Gottesreichvirus hochansteckend ist und ständig fantasievoll mutiert!
Wenn ich die Diskussionen mitverfolge, wo es um den Impfstoff geht, dann schäme ich mich manchmal: Es gab es in den letzten Wochen Gott sei Dank einige Male einen Beitrag, wo auf das Schicksal von Menschen in anderen Regionen der Erde in diesem Zusammenhang hingewiesen wird.? Ist es verantwortbar, wenn man sagt: Wenn wir durch sind, dann können auch die anderen was bekommen. Endlich gestern früh wurde in den Nachrichten von einer Studie berichtet, wo Wissenschaftler darauf aufmerksam machen, dass die Pandemie noch eine lange Zeit unser Leben bestimmen wird, wenn wir nicht eine gerechte Impfstoffverteilung für alle Völker organisieren. Ich sehe schon die Grenzkontrollen von Afrika nach Europa, weil ja in Afrika das Virus wütet, das wir auf keinen Fall wieder nach Europa bekommen können. Natürlich pumpen wir da Hilfe hin, aber nur so viel, dass es unseren Lebensstandart nicht gefährdet. Das sei hergeholt? Man schaue sich die Flüchtlingslager in Griechenland an, dann weiß man, zu welcher Unmenschlichkeit die aufgeklärten, hochentwickelten Gesellschaften Europas fähig ist. Ob da im Hintergrund auch noch in den Köpfen so Reste eines Bewusstseins von höher- und minderwertigen Menschenrassen sind? Wir sind katholisch, behaupten wir. Das heißt kat holos, kat heißt ganz und holos umfassend, jede Region, jede Ausprägung, jede Kultur ist willkommen, wenn es um das Gottesreich geht. Und wir haben Grund zu teilen. Das Gottesreich breitet sich aus, indem wir niemand ausschließen,
So lade ich ein, froh und wachsam durch diese Tage zu gehen. Am Donnerstag haben wir eine große Wanderung gemacht durch die herrliche Schneelandschaft. Wir gingen einen wunderschönen Weg durch die Felder, das Weiß blinzelte, über uns blauer Himmel, die Luft herrlich frisch. Aber irgendwann war auf unserem Weg nur wenig gelaufen worden. Und es wurde immer mühseliger im tiefen Schnee. Zunehmend nervte es mich. Mal sackte ich tief ein, dann wieder trug der Schnee, dann wieder rein und dann wieder anders. Wann hört das endlich auf, wann kommt wieder ein normaler Weg? Ich habe einen Moment angehalten, habe in den Himmel geschaut, habe die schöne klare Luft eingeatmet. Dann habe ich mir überlegt, dass mein Problem an mir liegt: Warum vergleiche ich ständig mit dem, wie ich meine, dass ein Weg normal ist? Und bin für die Schönheit meines Wegs immer weniger zugänglich? Ist nicht das Gottesreich ständiger Augenblick, immer nur im je jetzt zu finden? Ich bin da frohgemut weiter gestapft, habe mich begnügt damit, dass es nunmal hier nicht so schnell geht. Und hatte sogar Freude am hoch und runter und an dem Geräusch, wenn der Schnee knirscht. Und als wir wieder im Haus waren, fühlte ich mich zwar erschöpft, aber auch wie neugeboren. Mir kam der Gedanke, dass mein Stampfen durch den Schnee daran seinen Anteil hat. Lebe im hier und jetzt. Teile die Grenzen, die es jetzt gibt als Deinen Beitrag zur Ausbreitung des Gottesreichs. Und bleib an jeder roten Ampel stehen, um Dich und die Anderen zu schützen!