Predigt zum 11.07.2021
von unserem Pfarrer Christian Vornewald
Aus dem Evangelium Jesu Christi nach Markus.
In jener Zeit
rief Jesus die Zwölf zu sich
und sandte sie aus,
jeweils zwei zusammen.
Er gab ihnen Vollmacht über die unreinen Geister
und er gebot ihnen,
außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen,
kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel,
kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen.
Und er sagte zu ihnen: Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt,
bis ihr den Ort wieder verlasst!
Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt
und euch nicht hören will,
dann geht weiter
und schüttelt den Staub von euren Füßen, ihnen zum Zeugnis.
Und sie zogen aus
und verkündeten die Umkehr.
Sie trieben viele Dämonen aus
und salbten viele Kranke mit Öl
und heilten sie.
Evangelium unseres Herrn Jesus Christus
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Hast Du eine Mission? Hast Du was, was Du anderen sagen oder sogar (besser) geben willst? Oder anders gefragt: Wofür stehst Du? Was gibst Du anderen?
Wenn wir diese Fragen einmal nicht nur einzelnen Personen stellen, also dir und mir, sondern unserer Kirche, vermutlich gibt es dann bestimmte stenotype Antworten, auswendig gelerntes und richtiges, wenn man es im innerkirchlichen Blick anschaut. Bloß, was kommt davon wo und wie an? Mal ganz abgesehen von peinlichen Auftritten von Kirchenvertretern in Talkshows, die gibt es in letzter Zeit Gott sei Dank weniger Aber das liegt daran, dass man kaum noch einen dabei hat. Die Sprache, die Denkweisen, die Weisen sich zu geben, selbst bei gutem Kabarett hat man gerade für die katholische Kirche nur Spott übrig. Noch schnell eine prägnante Bemerkung über nach Kindern sexschmachtende Priester, dann ist man mit dem Thema Kirche fertig. So sieht es jedenfalls an der öffentlichen Oberfläche aus. Seit über dreißig Jahren gibt es nun schon immer wieder missionarische Initiativen in unserer Kirche, bislang sind noch alle mehr oder weniger wirkungslos verpufft. Wir bleiben lieber unter uns. Und fast möchte man sagen: Je größer angekündigt, desto schlimmer.
Was könnte die Botschaft sein, die vom heutigen Evangelientext ausgeht? „In jener Zeit rief Jesus die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen. Er gab ihnen Vollmacht über die unreinen Geister …“ Er sandte sie aus? Stellen wir uns mal vor, das würde auch für uns gelten. Nicht allein, sondern zu zweit, also nicht als Einzelkämpfer, wo dann die Einzelnen ihren Piepmatz zum Heiligen Geist stilisieren, das gibt vielleicht etwas mehr Sicherheit, man kann sich helfen, vielleicht auch korrigieren. Es braucht aber auch eine wirkliche Verbundenheit im Glauben und die Gabe, sich zu ergänzen und einander zu vertrauen. Ich erinnere mich, als wir mal mit einer Pilgergruppe in Goslar übernachten durften im Pfarrheim, da war in einem Raum ein Vorbereitungsabend für Laien, die den Beerdigungsdienst übernehmen sollten, sie sollten das jeweils zu zweit machen.
Bloß wozu, zu wem und wohin werden wir ausgesandt? Ich glaube, wir können dafür aus dem Text einige spannende Antworten finden. Wozu? Er gab ihnen Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben, heißt es. Er gab Ihnen! Was wir bringen, haben wir selber empfangen. Also geht es gar nicht um etwas, was wir aus uns heraus bringen müssten. Doch was empfangen wir? Das Evangelium nennt es Vollmacht über die unreinen Geister. Schwierig.
Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie, so lautet das Resumee. Was zunächst gesehen werden muss: In den Sendungsgeschichten in den Evangelien gibt es immer die Verbindung von Verkündigung und konkreter Hilfe zum Leben für die Adressaten. Hier besteht die Hilfe darin, dass sie die unreinen Geister austreiben. Ich tue mich damit schwer. Obwohl, manchmal ist das Schwierige dafür da, besondere Entdeckungen zu machen! Mir ist eine der schönsten Seligpreisungen eingefallen: Selig, die ein reines Herz haben, sie werden Gott schauen. Die Dämonen austreiben heißt also den inneren Menschen befreien, revolutionieren, Gott schauen, eine Perspektive, Sichtweise öffnen, wo alles in einem anderen Licht erscheint. Sie verkündeten die Umkehr, heißt es. Wir denken da schnell an etwas moralisches. Aber das griechische Wort Metanoia meint eher ein neu denken, anders sehen, einen Perspektiv- und darin Lebenswandel. Wenn jemand bei seinem Enkel so etwas öffnen darf, dann ist das doch echte Heiligung, auch wenn der Enkel nicht getauft ist!
Es gibt eine großartige Bibelübertragung von Fridolin Stier, in einer ganz originellen Sprache. Dort heißen die Dämonen „Abergeister“. Du sagst Dein „aber“ und der Schwung, die Begeisterung in Dir und anderen verpufft. Und es bleibt alles beim alten. Es lähmt, zunächst das Herz, dann die Hände und die Beine. Die Abergeister mit ihrer dumpfen Macht ziehen ihre Spur: Das wird ja doch nichts, die eigenen Erfahrungen werden in einer Weise gesehen und verstanden, dass sie die gute Kraft absaugen. Erfahrungen mit mir selbst und mit denen, mit denen wir leben. Resignation, ja Verachtung macht sich breit, Selbstvertrauen zerbröselt. Stimmen Sie mir zu, dass unsere Welt voll ist davon?
In dieser Woche habe ich eine politische Sendung im Radio gehört. Es gab eine Diskussion über die Situation in Aphganistan. Da erzählte eine Journalistin von einer der besten Konferenzen, die sie erlebt hat. Es war im Jahr 2001, die Konferenz hatte in Bonn stattgefunden. Da ging es um Aphganistan, es waren wohl auch Vertreter verschiedener Gruppen aus dem Land dabei. Sie formulierte: „Es vibrierte die Hoffnung“ Das hat mich beeindruckt. Wenn Hoffnung so lebendig und stark werden kann, dann sind die Abergeister auf dem Rückmarsch. Resignation wandelt sich zu Tatendrang, Misstrauen wird zu einem gemeinsamen Weg, um es mit den Psalmen zu sagen, Klagen wird in Tanzen verwandelt. Ich träume davon, dass unsere Gottesdienste vibrieren vor Hoffnung, es keine leeren Worthülsen sind, wenn wir sagen, dass wir den Tod und die Auferstehung Jesu feiern.
Am Donnerstagabend ist mir selber neu etwas davon bewusst geworden. Es war Anbetung in unserer Kirche. Eigentlich war es nicht so mein Tag gewesen bis dahin. Ich hatte vorher etwas gelesen über die drei Grundhaltungen für gute Gespräche: Empathie, Wertschätzung und Wahrhaftigkeit. Als ich nun auf die kleine Monstranz mit der Hostie drin schaute, wurde mir bewusst, dass mir diese drei Haltungen gerade geschenkt wurden: Empathie, ich fühlte mich tief verstanden, Wertschätzung, Er, Jesus blickt auf mich, Wahrhaftigkeit, Gebet ist nicht nur so eine Art Vorstellung so als ob, sondern ist wirklich. Gott, Jesus ist wirklich hier, mir nahe. Als dies in mich einströmte, kam eine Freude in mir auf, Energie und gute Ideen, ich sah mich und andere und die ganze Situation in einem anderen Licht: nein, es ist nicht hoffnungslos! Meine Abergeister waren überwunden! So ist unser Gott!
Wenn uns heute vor Augen gestellt wird, wie die zwölf Apostel gesendet werden, die unreinen Geister auszutreiben, dann ist das vielleicht eine Einladung, in diesen drei Haltungen unseren Mitmenschen zu begegnen. Zunächst einander, wir sind ja miteinander, zu zweit ausgesandt, aber dann weiter jeder und jedem anderen. Erstens: Ihnen Empathie zu schenken, sie vorurteilslos zu sehen, versuchen, sich einzufühlen in ihre Situation, ihre Prägungen, ihre Leiden und in ihre Freude, ja auch ihre Ängste mitzutragen, ohne zu bagatellisieren. Wie gut das ist, wenn jemand zuhört! Zweitens: Wertschätzung: Ihre Persönlichkeit wahrzunehmen, ihre Stärken und ihre Lebensleistung zu achten, das Ebenbild Gottes ist ihnen zu entdecken. Für einen Christen ist jeder Mitmensch eine Schwester oder ein Bruder, für den Jesus Christus sein Leben gegeben hat, hat Hans Urs von Balthasar gesagt. Oder anders gesagt: Für einen Christen gibt es nur zwei Arten von Menschen: Christen, die mit mir meinen Glauben teilen oder potentielle Christen, weil aus seiner Sicht Gott ihnen eine Sehnsucht ins Herz gegeben hat und der Christ mit ihnen die Sehnsucht teilen kann. Drittens: Wahrhaftigkeit! Negativ gesagt: Wenn Zuwendung nur gespielt ist, dann ist es für den anderen schlimmer als wenn er gar keine Zuwendung bekommt, aber wenn sie echt ist, dann ist es Licht und Lebensfreude, dann weckt es uns gegenseitig zu uns selbst! In Frankreich gab es sog. Arbeiterpriester, Priester, die bewusst in das Arbeitermilieu eingetaucht sind, ihr Leben geteilt haben. Einer davon hat ein Buch geschrieben: Darin heißt es: Wann immer ich Gott einem von ihnen bringen wollte, habe ich gesehen, er war schon da. Bleiben wir beim Enkel: Vielleicht sagt er sich: Oma schnallt zwar nicht alles, aber die versteht mich, die glaubt an mich, die meint es wirklich gut mit mir.
Wir werden gesendet, drei einfache Dinge, einfühlen, wertschätzen und ehrlich sein. Und wer weiß, vielleicht vibriert die Hoffnung!