Predigt zum 07.02.2021
von unserem Pfarrer Vornewald
Wenn du jemand kennenlernen willst, dann sei einfach bei ihm und erfahre, was er den lieben langen Tag so alles macht. So erfährst Du, was ihr oder ihm wichtig ist, welche Vorlieben er oder sie hat, was er oder sie begeistert oder was sie oder er meidet oder verachtet, wieviel Zeit wofür da ist. In solchen Begegnungen verändern wir uns, finden neue Einsichten, stellen sich Fragen.
Wenn du jemand kennenlernen willst … Im ersten Kapitel des Markusevangeliums geht es darum, Jesus vorzustellen. Da waren zunächst seine ersten Worte, die mitgeteilt werden, dann die elementare Wirkung seiner Rede, mit Vollmacht und da sogar die unreinen Geister gehorchen mit göttlicher Vollmacht. Und dann folgt so etwas wie eine Homestory, und da Jesus unterwegs ist, sollte man vielleicht besser sagen eine Roadstory. Wir sind einen Tag lang in seinem Leben dabei, dürfen ihn begleiten, denn der Erzähler möchte uns mit ihm vertraut machen. Keine Sorge, es wird nicht peinlich, sondern nur deutlich, wie Jesus lebt, dass er mit uns teilt und wir dabei sein sollen. Im Johannesevangelium wird das wunderbar erzählt. Diejenigen, die da als erstes zu ihm kommen, fragt er: Was sucht ihr? Sie antworten: Wo wohnst du? Und er sagt: Kommt und seht. Dann heißt es, dass sie an jenem Tag bei ihm blieben.
Wir dürfen auch einen Tag lang bei ihm bleiben. Herzliche Einladung! Als erstes sind wir im Haus des Simon und Andreas. Die Schwiegermutter des Simon lag mit Fieber im Bett. Er ging zu ihr, nahm sie bei der Hand und richtete sie auf. Da wich das Fieber und sie sorgte für sie. Zwei Dinge beeindrucken mich: Die Beschreibung, Wie liebevoll er sich ihr zuwendet und, dass sie für sie sorgt. Und am Abend heilt er viele Menschen, die, wie es heißt, an allen möglichen Krankheiten litten. Immer ist dabei auch die Rede davon, dass er Dämonen austreibt.
Das erste, was wir wahrnehmen, ist also die Zuwendung zu Menschen, die krank sind oder unfrei, ja besessen. Am Donnerstagabend haben wir Videobibelteilen gemacht über dieses Evangelium. Da kam die Frage auf, was denn von solchen Erzählungen zu halten ist. Ist es symbolisch gemeint oder war Jesus eine Art Wunderheiler? Mir hilft zum Verstehen seine Haltung gegenüber der Schwiegermutter des Simon: Er ging zu ihr, fasste sie an der Hand und richtete sie auf. Es war also eine intensive Zuwendung. Ich vermute, dass dies in ihr eine so tiefe Wirkung hervorgerufen hat, dass es sich bis ins organische ausgewirkt hat. Als wir zum ersten Mal gemeinsam eine Woche unterwegs waren zum Pilgern, sagte am vorletzten Morgen voller Strahlen eine Frau: Ich habe das erste Mal durchgeschlafen seit eineinhalb Jahren. Dass sie heil werden, will wohl die Intensität der Zuwendung betonen, dass seine Liebe wirklich und darum wirksam wird. Und Markus hatte ja sein Evangelium begonnen mit der Ansage „von Jesus Christus, dem Sohn Gottes!“ Der lebendige Gott wird ein Mensch, so ist es, wenn dieser Mensch uns Menschen begegnet. Ich habe mal gelesen, dass Gott ewige beseligende Zuwendung sei. Daraus kann man doch schließen, dass er ganz in der Gegenwart lebt, in dem je neuen Augenblick. Wie wirkt das auf Dich, wenn Du Dir klar machst, dass dies das erste ist, was Du miterlebst? Heißt das nicht als Erstes: Gott will nicht unser Leid und unser Unglück. Und dann: Wie tief und wie groß ist die Zuwendung, die uns geschenkt wird. Beim hl. Augustinus heißt es: Gott wendet sich Dir zu, als seiest Du der Einzige, den er hat! Und vielleicht am schönsten: Gott geht es um jede und jeden von uns. Und das ganz konkret, so wie es dem oder der Einzelnen geht. Er ist kein Wunderheiler, der mit irgendwelchen übersinnlichen Kräften wirkt. Aber er lebt die ehrliche zärtliche Zuwendung Gottes und die wirkt!
Das habe jetzt auch deshalb gesagt, dass deutlich wird, dass er sich das nicht mal eben so aus dem Ärmel schüttelt. Liebe ist bewusste und ganze Zuwendung, das geht nur wie es ja auch heißt, mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele, mit aller Kraft und all Deinen Gedanken. Das nächste, was wir mitbekommen von Jesus, ist: Am nächsten Morgen „in aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten.“ Er, der so Beziehung schenkt und darin Menschen wandelt, befreit und heilt, er lebt selber aus und in Beziehung. Wenn man einen Menschen verstehen wolle, müsse man auf sein Gebet lauschen, hat der renommierte Exeget Heinrich Spaemann gesagt. Was er wohl gebetet hat? Wortlos geruht am Herz Gottes, oder einfache Worte gesprochen, die er vielleicht wiederholt hat, Psalmen rezitiert, die er vermutlich alle auswendig kannte. Die beste Spur ist gewiss das Vater Unser, wo er seine Jünger hineinnimmt in sein Beten. Da ist gewiss das Wort „Vater“ als allererstes zu nennen! Das macht ihn aus, er ist ja der Sohn. Wenn wir an Gott glauben, dann vertrauen wir dem Vater von Jesus. „Was muss das für ein Vater sein, der einen solchen Sohn hat!“, hat Teresa von Avila gesagt. Und dann ist ganz wesentlich „Geheiligt werde dein Name“. Dass Gott heilig und groß wird bei den Menschen, dass sie ihn darum anbeten und preisen und so geformt und zu neuen Menschen werden, darum ging es Jesus. Und dann ist natürlich „Dein Reich komme“ die Stoßrichtung bei allem, was Jesus tut und sagt, dass es „wie im Himmel, so auf Erden“ werde. Das Gebet ist so nötig für ihn, dass es auf keinen Fall ausfallen darf, er braucht es wie das tägliche Brot, er muss sich dafür Zeit freischaufeln: „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat!“ Der ihn gesandt hat, das ist sein Vater! Vater, so hat uns ein Philosophieprofessor gelehrt, das ist das Wort, das für ein Urvertrauen steht, wo man vermag, Liebe und Macht als eins zu sehen!
Wenn jemand sich so den Menschen zuwendet, und so um Gott weiß, und dann ist es sein ganz organisches Anliegen, dass er diesen seinen Gott bekanntmacht, vertritt, und so sein Motiv der Zuwendung offenlegt. Jesus ist ganz transparent, und gerade deshalb ein Geheimnis: Wer mich sieht, sieht den Vater! Als die Jünger ihn finden, sagen sie: „Alle suchen dich!“ Es würde etwas ganz wesentliches fehlen, wenn nach der Zuwendung zu den Menschen und der Zuwendung zu Gott nicht etwas drittes zu beobachten wäre, wenn wir ihn begleiten: „Lasst uns woanders hingehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort verkünde.“ Und er fügt hinzu: „Denn dazu bin ich gekommen!“ Hier kann man eine Beobachtung aus zwei Richtungen machen: Seine Zuwendung wäre nicht echt, wenn er den Menschen diesen seinen Gott vorenthalten würde, und in seiner Zuwendung zeigt und schenkt sich der Gott, den er seinen Vater nennt.
So wird Jesus uns vorgestellt, so werden wir mit ihm vertraut gemacht. Und wir erfahren dabei so viel über uns selbst. Das Wichtigste ist: In unserer Taufe und Firmung sind wir ihm gleichgestaltet, sind wir wie er Töchter und Söhne Gottes, die in demselben Geist die gleiche dreifache Ausrichtung haben: Liebe zu den anderen Menschen, die sich als wirksam erweist, Zuwendung zu Gott, die sich als Lebensquell erweist, der nicht versickern darf und aus beidem heraus uns senden zu lassen: Was muss das für ein Gott sein, der solche Töchter und Söhne hat!