Predigt zum 02.08.2020
von unserem Pfarrer Vornewald
Woche für Woche haben die Evangelien immer wieder mit dem Satz begonnen: mit dem Himmelreich ist es wie … und dann gab uns Jesus einen Vergleich aus dem Leben der Natur. Meistens aus dem Bereich des Säens, Wachsens und des Erntens. Mein bester Freund hat mir mal gesagt, was zu den schönsten Erinnerungen aus seiner Heimat gehört. Er stammte aus Ostwestfalen vom Land. Wenn die gesamte Kornernte eingefahren ist, gemeinsam auf dem Heuschober sitzen und eine Flasche Bier trinken. Ohne viel Worte, natürlich, das macht man so östlich von Paderborn. Dass sich die Gleichnisse in Lebenswirklichkeit übersetzen, ist vielleicht die schönste Erfahrung. Und vielleicht kann man die heutige Erzählung so verstehen.
Dass wir uns in der Lebenswirklichkeit befinden, kann man auch daran ersehen, was zwischen den Gleichnissen und der Erzählung der ersten Brotvermehrung steht. Die Evangelien der Sonntage sind normalerweise in einer Abfolge. Aber zwischen den Gleichnissen und der heutigen Erzählung sind zwei Dinge weggelassen. Zunächst kommt Jessu in seine Heimat und wird dort abgelehnt, dann wird der Täufer Johannes grausam umgebracht, weil er sich mit dem König und vor allem mit dessen Frau eingelassen hat. „Du durftest sie nicht heiraten“, hatte er dem König auf den Kopf zu gesagt. Damals wie heute: Donald Trump und manche andere finden auch Wege, Leute zu bestrafen, die ihnen Einhalt gebieten wollen. Als Jesus hört, was mit Johannes geschehen ist, will er in die Einsamkeit gehen. Dort finden ihn die Leute. Dann folgt die Erzählung, die heute unser Evangelium ist. Sie spielt also nicht im luftleeren Raum, sie betrifft Menschen mit ihrer realen Geschichte, vermutlich auch Spielball der Mächtigen. Jede und jeder muss sehen, wo er bleibt, wie er sich durchwurschtelt durch das, was vorgegeben ist. Das Regiertwerden von einem Typen wie Herodes war vermutlich kein Zuckerschlecken. Und dann noch die römische Besatzungsmacht. Was damals war für die Leute, wissen wir nicht, heute sind es die wieder steigenden Zahlen von Angesteckten und vielleicht die dadurch sich verändernden Vorgaben, was erlaubt ist und was zu beachten ist, vielleicht für den einen oder die andere Kurzarbeit oder große Verluste, in diesen Tagen die Hitze. Eins ist glaube ich immer mitzubedenken bei uns: Ja, manches ist schwierig, aber wenn wir stöhnen, dann auf hohem Niveau, in anderen Regionen der Erde lebt es sich ungleich gefährdeter in diesen Tagen.
Etwas scheint anders zu sein: Die Menschen damals hatten jemand gefunden, wo sie sich geborgen und sicher fühlten, wo sie etwas erfahren konnten, was sie unmittelbar mit Gott in Verbindung brachten, wo sie in den Untiefen des Lebens vor Anker gehen wollten. Sie liefen von überall her hinter Jesus her, setzten große Hoffnungen auf ihn.
Das alles ist die Vorgeschichte der Situation, als Jesus aus dem Boot steigt, um in Einsamkeit den Tod seines Vorläufers zu verarbeiten und die vielen Leute ihn schon am Ufer erwarten. Das erste, was er tut, er wendet sich den Menschen zu und heilt die Kranken. Er hatte Mitleid mit ihnen, heißt es. Damit ist gewiss nicht so eine Art Großzügigkeit von oben herab erzählt, sondern seine Fähigkeit zum Mitfühlen und Einfühlen, seine Weise, die Menschen wahrzunehmen. Was erstaunt, ist, dass niemand an Essen und Trinken gedacht hatte, Es gab einfach viel Wichtigeres. Wir können sagen: Hier ging es um das, was in den Gleichnissen beschrieben wird: Hier ging es um das Himmelreich, hier erhofften sich Menschen die Gebetslosung, die auf Jesus zurückgeht: dass es auf Erden werde, wie im Himmel.
Dennoch scheint der Rat der Jünger, die Leute sollten weggehen in die Dörfer, um sich was zu essen zu besorgen, verständlich. Denn Hunger ist ein existentielles Bedürfnis. Vielleicht soll damit aber auch eine Mahnung gegeben werden. Wenn es ernst wird, dann ist der Mut weg, dann gilt für manche nichts mehr von dem, was sie zuvor noch bestaunt hatten. Beim Geld hört die Freundschaft auf, das müssen wir jetzt selber in die Hand nehmen, da hilft kein Gott. Vertrauen durchzutragen, das Himmelreich wirken zu lassen ohne sich abzusichern, da sind viele doch lieber die Macher. Vielleicht kann Gott unter uns nur wenig wirken, weil wir uns immer doch lieber absichern. Wenn es drauf ankommt, dann gelten die Gebete nicht! Vielleicht gibt es deshalb im Evangelium so starke Warnungen Jesu vor Reichtum: Dann macht man alles aus eigener Kraft und wird arm, weil man das Schönste nicht erfährt, wie Gott sich den Menschen zuwendet und die Menschen teilen, Brot und Zeit und Leben. Bewunderung ist nur der billige Ersatz für die kostbare Erfahrung von Liebe. Die Realisten sagen: Ihr wisst doch, was mit dem Johannes passiert ist, wir müssen sehen, wo wir bleiben. Jesus sagt: Sie brauchen nicht wegzugehen. Gebt ihr ihnen zu essen! Wie war das noch gleich mit dem Himmelreich: wie ein klitzekleines Senfkorn ist es, aber du musst es einpflanzen, du darfst es nicht festhalten, etwa in der Angst, wo du selber bleibst. Die Realisten, nennen wir sie mal so, sehen die Grenzen: Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische hier. Wir haben ja sowieso zu wenig, wir können ja sowieso nichts bewirken. Und behalten ihres zurück. Ob das realistisch ist? Ich glaube, es gibt eine Beobachtung, die zeigt etwas anderes: Je mehr jemand hat, desto weniger ist er in der Lage, seins zu geben. Wenn Sie meinen, dass das nicht stimmt, dann freue ich mich, wenn Sie mich Lügen strafen.
Die Logik des Himmelreichs ist: Lass es los, lass Dich los, Da heißt es: „Jesus nahm die fünf Brote und zwei Fische, blickte zum Himmel auf, sprach den Lobpreis, brach die Brote und gab sie den Jüngern; die Jünger aber gaben sie den Leuten und alle wurden satt.“ Er nimmt die fünf Brote und zwei Fische, das ist, dass er die Situation, so wie sie ist, annimmt. Er blickt zum Himmel, das ist die Perspektive des Himmelreichs. Dann spricht er den Lobpreis, er lebt aus der Dankbarkeit, was Gott schon alles gewirkt hat in seinem Leben, denn das gibt die Kraft, wirklich zu vertrauen. Dann bricht er das Brot, es geht ihm um wirkliches Teilen mit den Jüngern und mit allen, die dort sind. Dann gibt er das Brot den Jüngern, denn er setzt auf sie als seine Boten, auf die, die weiter tun, was er angestoßen hat. Dann geben die Jünger die Brote an die Leute, sie halten sie also nicht zurück für sich selbst, sondern nehmen die Zuwendung Jesu auf. Was wie eine Geste wirkt, sind viele einzelne Schritte. In diesen Schritten bahnt sich das Himmelreich seinen Lauf. Alle werden satt, vielleicht umgekehrt wie es sonst oft ist. Es wird viel gegessen, aber eigentlich hungert die Seele, hier wird die Seele erfüllt und der Leib gleich mit. Wie es zugehen konnte, dass so viele Menschen von den fünf Broten und zwei Fischen satt werden, wird nicht erklärt. Es scheint auch gar nicht die Fragestellung zu sein. Die Erklärung würde mehr zerstören als helfen: Ein Gott, der sich beweisen ließe, wäre kein Gott mehr, sagt Martin Buber. Denn es bräuchte dann nicht mehr das, was unser Leben reich und lebenswert macht, das Vertrauen und darin das Teilen von einem zum anderen, ohne Absicherung. Die Jünger behalten das, was sie von Jesus in die Hände gelegt bekamen, nicht für sich … Es geht ja auch nicht um sie, sondern um das Himmelreich und darum wirklich um sie. Am Ende bleiben zwölf Körbe übrig. Es reicht für die Kirche, denn zwölf, das sind die zwölf Stämme Israels und die zwölf Apostel. Später gibt es noch eine zweite Brotvermehrung, da bleiben sieben Körbe übrig. Sieben ist die Zahl der Fülle. Es reicht für die ganze Welt!
Liebe ist das Brot, das sich vermehrt, wenn man es teilt!