Predigt zum Fest der Heiligen Familie/ 3. Tag der Weihnachtsoktav/ 27.12.2020
von unserem Pfarrer Vornewald
Und nun ist schon der dritte Feiertag?! D.h., eigentlich nicht, es ist der Sonntag nach Weihnachten. Aber noch so ein Tag hinterher, das fühlt sich an, als ginge Weihnachten noch weiter. Und das stimmt. Auch wenn in der IKEA Werbung am 27.12. der Weihnachtsbaum aus dem Fenster fliegt. Zeit für einen Rückblick also weniger. Aber vielleicht für einen Einblick. Vielleicht mit der Frage, die wir uns als Kinder gestellt haben, wenn wir Freunde uns nach dem heiligen Abend wiedergesehen haben: Was hast du geschenkt bekommen? Ich meine jetzt mal nicht den neuen Pullover, son Mist, schon der erste Fleck drauf, natürlich die Bratensoße vom Gänsebraten, und da wir bei Soße angelangt sind, ich meine auch nicht, was gab es zu essen?
Was war wichtig in diesem Jahr an Weihnachten? Worum ging es, worum geht es? Vielleicht können die Gottesdiensthemen an den Weihnachtsfesttagen einen Impuls geben. Da war gestern am 2. Weihnachtstag das Fest des ersten Märtyrers Stephanus. Auf dem ersten Blick scheint das gar nicht zu passen. Und das stimmt. Es ist ein Tag aus dem Heiligenkalender, der nicht mit dem Jahreskalender zusammengehört. Und trotzdem kann dieser Tag einen wichtigen Impuls geben. Was war, was ist wichtig an Weihnachten? Der barocke Dichter und Mystiker Angelus Silesius hat es lakonisch auf den Punkt gebracht: Und wäre Christus tausendemale in Betlehem geboren und nicht auch in dir, es nützte dir tausendemale nichts.
Hierbei kann Stephanus ein Wink sein. Man muss sich nur in Erinnerung rufen, dass wir so sterben, wie wir gelebt haben, dann öffnet der Bericht aus der Apostelgeschichte über seine Ermordung (Apg. 6) für das große Geschenk von Weihnachten. Der Erzähler der Apostelgeschichte berichtet sehr präzise, dass in Stephanus Christus geboren war. Denn er erzählt es so, dass Stephanus in derselben Haltung gestorben ist wie Jesus Christus, teilweise mit den denselben Formulierungen.
Das erste Geschenk ist, dass Stephanus ausruft: Ich sehe den Himmel offen und Jesus zur Rechten Gottes stehen. Stephanus hat eine andere Perspektive bekommen. Er blickt nicht nur auf die Probleme, das Negative, vergleicht dies und jenes miteinander und ist dann unzufrieden. Er hat den Himmel als lebendige Wirklichkeit vor sich. Er blickt auf, er erwartet großes, so wie das Kinder können. Und er sieht den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen. Er sieht ihn bei Gott und bekommt so einen Zugang zu dem unergründlichen herrlichen Gott, der sich in Jesus Christus als Liebe schenkt und erweist.
Deshalb ist es auch ganz logisch, dass er genau so zu Jesus betet bei seiner Steinigung wie Jesus am Kreuz zum Vater gebetet hat. Da ist zunächst ein großer Vertrauenserweis: „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!“, ruft er, als die Steine auf ihn fliegen. So wie Jesus gerufen hat: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist!“ In der Geburt Jesu im eigenen Herzen zieht eine Realität ein, die man vielleicht so beschreiben kann: Noch tiefer als alle Ungewissheit, alle Angst, alles Wissen der eigenen Ohnmacht und Verlorenheit gründet im eigenen Herzen Vertrauen.
Und dann, sozusagen als letztes, was er noch zu sagen hat, heißt es, dass er auf die Knie sank und laut schrie: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an.“ So, wie Jesus gebetet hat: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ In wem Jesus geboren ist, in dem bleibt kein Platz für Hass, für Verachtung und für den so verständlichen Wunsch nach Rache und Genugtuung. Der kann vergeben. Und da es angesichts des in diesem Augenblick nahenden Todes geschieht, ist es organisch gewachsen Teil von Stephanus, es lebt wirklich in ihm. Hier kann sich niemand mehr verstellen, etwas mit Willen vorspielen. Hier kommt die Wirklichkeit des eigenen Herzens zutage. Was für ein Geschenk: Ich sehe den Himmel offen, kann grundlegend vertrauen und es ist eine so starke Liebe in mir, dass ich vergebe. Ich glaube, etwas von dem hat jede und jeder von uns als Sehnsucht auf dem Wunschzettel. Ob wir, du und ich so werden können? Schon die Sehnsucht danach, eine gute Spur auf unserer Erde ziehen, ist schon ein Geschenk. Beim hl. Augustinus spricht Gott: Du würdest mich nicht suchen, wenn ich dich nicht schon gefunden hätte. Da sind wir bei der Weihnachtsbotschaft: Indem Gott Mensch wird, kommt er bei uns an, findet er uns.
Heute am Sonntag wird dem ein wichtiger Aspekt hinzugefügt: Heute ist das Fest der hl. Familie. Sie sei ein leuchtendes Vorbild, haben diejenigen in das Tagesgebet geschrieben, die im 19. Jhd. diesen Festtag in der Weihnachtszeit begründet haben. So rein, so heilig wie Maria und Josef, ich habe aus einem bestimmten Grund Schwierigkeiten damit. Sieh auf Maria und Josef, das kann ein probates Mittel sein zum Erzeugen eines schlechten Gewissens. Ich möchte diese Spur nicht weiter verfolgen. Ich habe einen anderen Gedanken: Maria und Josef ist der ureigene Sohn von Gott anvertraut, damit er Nahrung und Liebe bekommt, wächst und groß wird. Mir kam der Gedanke, dass der Christus, der in uns geboren ist als das Geschenk der Gnade Gottes in uns, auch wachsen muss, sozusagen groß werden muss in uns.
Was mich sehr fasziniert, ist die Weise, wie Maria und Josef zueinanderfinden in ihrem oder Gottes Kind. Da wird im Matthäusevangelium berichtet, dass Josef seine Frau verlassen will, als er mitbekommt, dass sie ein Kind erwartet. In aller Stille, denn er war wohl sehr anständig, Josef, der gerecht war, heißt es deshalb auch an der Stelle. In aller Stille, das war das menschlich größte, was möglich war. Mit ihr leben war nicht denkbar. Ein Engel kommt im Traum zu ihm, der ihm sagt, dass er sich nicht fürchten soll, Maria als seine Frau zu sich zu nehmen. Und das tut Josef daraufhin. In ihrem je eigenen Sich Öffnen für den Weg Gottes in ihrem Leben werden sie über ihr eigenes Vermögen hinaus zueinander gefügt. Wenn ich mir vorstelle, wie sie wohl miteinander umgegangen sind, dann empfinde ich tiefe Freude und so etwas wie zärtliche Ehrfurcht und unverdientes Glück und Geschenk zwischen den Beiden. In ihrer Mitte wächst Jesus auf.
Jesus, in uns geboren, soll wachsen und groß werden. Dann erscheint das Erste und Grundlegende die Erfahrung echter Liebe mit Achtung und Wertschätzung zu sein. Wenn wir das aneinander erfahren dürfen und uns so zusammengefügt wissen, dann wächst das Geschenk Gottes in uns.
Und dann habe ich mich an eine Wandmalerei erinnert in einer Kirche in Verona. Da stillt Maria ihr Kind. Das ist etwas wunderbares: Liebe und Nahrung sind ganz eins in dieser Erfahrung. Solche Grunderfahrungen wahr zu nehmen, Gemeinschaft, weil wir einander brauchen und uns mit dem Lebensnotwendigen aber viel mehr schenken … gestillt wird das Kind, die Angst, zu verlieren, der Hunger und der Durst wird gestillt, der Grund zu klagen, zu schreien, zu fordern wird genommen…, so nährt sich das Kind in uns.
Und dann hat dieses Kind einen wunderbaren Vater: Josef. Im jüdischen Lebensraum ist es bis heute der Vater, der für die religiöse Erziehung des Sohnes zuständig ist. Man kann also bei allem, was Jesus vom Gottesreich verkünden wird immer, wenn auch ganz am Rand die Spuren Josefs in ihm mithören. Und Josef sorgt für seinen Sohn, indem er auf Gott hört, sogar ohne ein Wort darüber zu verlieren. „Nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten“, sagt ihm der Engel im Traum. Josef tut es und beschützt es. Das Kind in uns wird beschützt, wenn wir Menschen erleben wie Josef, die tun, was sie von Gott gehört haben, die Vertrauen leben. Und wenn wir wie Josef auf die Impulse Gottes vetrauen, die uns erreichen und wir wissen, egal woher dass es Gott ist, der da uns meint.
Was wird Dir geschenkt an Weihnachten in diesem Jahr?